Tag 6: Pirchhof - 1000-Stufenschlucht - Hochganghaus - Hochmuth

Letzter Tag des Meraner Höhenwegs: Tausend Stufen sind angekündigt - da dürfte eine Null fehlen. Zehntausend, das kommt der Sache schon näher. Dass die 23 Kilometer lange Strecke aus lauten Aufs und Abs besteht, gehört ja schon dazu. Dass dieses Hoch und Runter zum großen Teil über Steinstufen zu gehen ist, das ist neu.

 

Tatsächlich beginnen die Treppen gleich hinter dem Pirchhof, wo sich die Gruppe vor dem letzten langen Tag beim opulenten Frühstück ordentlich stärkt. Um halb acht geht es los - bergauf, oder, besser gesagt: treppauf. Tief hinab erst über Waldwege, dann treppab. Die Schlucht der tausend Stufen ist erreicht. In Wahrheit sind es nur 987 Stufen, aber diese Ungenauigkeit gleicht die folgende Route schnell wieder aus.

 

Vor allem zieht eine neue Hängebrücke die Wanderer in ihren Bann. Sicher leitet sie die Gruppe über einen gähnenden Abgrund auf die andere Seite. Geschafft. Dann wieder treppauf.

 

Bergführer Thomas Dempfle hat die Etappe am Morgen als die abwechslungsreichste der Tour angekündigt. Er soll recht behalten. Allein das Panorama, das sich auf die Orte Naturns, Partschins und Algund in der Talsohle des Flusses Etsch eröffnet, lässt die Wanderer immer wieder anhalten und staunen.

 

Hangparallel läuft der Weg weiter, versehen mit den bereits erwähnten Höhen und Tiefen, allesamt mit Treppenstufen. Ein Wasserfall schießt in weißen Bändern den steilen Berg direkt neben dem Wanderweg 24 hinunter und zerstäubt erfrischend über jedem aus der Gruppe. Es ist warm und regnerisch zugleich. Im Wald ist es schattig und kühl, auf Wiesen dagegen oft sonnig und dämpfig wie in der Sauna.

 

Unterwegs gibt es an Almhütten alle paar Kilometer die Möglichkeit, sich zu stärken. So wie an der Tablander Alm auf 1.788 Meter Seehöhe. Schnell stehen Erdbeer-Buttermilch auf dem Tisch, alkoholfreies Bier, dazu Spiegeleier mit Bratkartoffeln, aber auch Kaiserschmarrn.

 

Gesättigt geht es durch einen Wald, der mit seinen dicken Tannen, unübersehbarem Moos und haushohen, wie hingewürfelten Felsen geradezu magisch wirkt. Eng schmiegt sich der Pfad an die grauen Steine, unterquert umgestürzte Bäume und überwindet auf Stufen das Hoch und Runter. Der Naturpark Texelgruppe spielt mit den Muskeln.

 

Die Tour streckt sich, Trinkpausen müssen sein, damit alle ans Ziel gelangen: die Bergstation der Hochmuth-Bahn, wo die Runde vor sechs Tagen begann. Fast alle: Fünf aus der Gruppe ziehen es vor, eine Seilbahn eher talwärts zu schweben, um etwas einfacher zum Hotel des Tages zu gelangen. So richtig viel leichter, das versichern sie später glaubhaft, war ihre Wanderung aber doch nicht.

 

Die restlichen elf Wanderer indes stehen vor dem letzten Höhepunkt des Tages. Von der Leiteralm führt auf rund 1.400 Meter über NN ein schmaler, ausgesetzter Weg in 40 Minuten hinüber zur Hochmuth-Bahn. Dieser Pfad ist höchstens anderthalb Meter breit, links durch eine senkrechte Wand begrenzt, und er endet rechts an einem Abhang, der nahezu senkrecht bis zum Tal abfällt.

 

Achtung: Wer diesen Weg geht, muss trittsicher sein, schwindelfrei und nüchtern. Alles andere kann tödlich enden, wie einige Gedenktafeln am Wegesrand mahnen.

 

„Das war der beste Teil des Tages“, sagt Dieter stolz, als er auf der Aussichtsplattform oberhalb der Bergstation steht. Er und alle anderen sind gut angekommen. Die Blicke in die Tiefe auf Meran und bis nach Bozen waren phänomenal. Aber nur im Stehen, das ist sicherer.

 

Sichtlich zufrieden, dass alle Wanderer den Meraner Höhenweg gesund gemeistert haben, ist Thomas Dempfle.

 

Als die Gruppe mit einem ersten kalten Getränk anstößt, öffnet der Himmel noch einmal leicht seine Schleusen. Doch weil gleichzeitig die Sone lacht, dehnt sich über Meran ein Regenbogen.

 

Aufstieg 900 Hm, Abstieg 1.000 Hm, 9 Sunden, 18,5 Kilometer

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