Wenn Gewitter droht, gilt es umzuplanen, erst recht in den Bergen. Es hat keinen Zweck, bei Regen, Donner und Blitz einen 3.000er zu erklimmen. Am frühen morgen bei blauem Himmel stakste Thomas Dempfle durch den Garten der Zufallhütte, den Blick auf ein paar einsame Federwolken gerichtet. Solche Zirren können einen Wetterumschwung ankündigen, sogar ein Gewitter, sie müssen es aber nicht. „Bei Frauen und Zirren, da kannst du dich irren“, zitierte der Bergführer eine uralte Meteorologen-Weisheit.
Schnell war umdisponiert: statt 3.000er die vergleichsweise beschauliche Almenrunde, zumindest einen Teilabschnitt davon. Direkt von der Zufallhütte aus ging es wenige Schritte hinunter in das benachbarte Pedertal. Ziel war die Lyfi-Alm auf 2.165 Meter Seehöhe. Der Weg dorthin verläuft hangparallel und bewegt sich immer in Höhen zwischen 2.400 und 2.500 Meter über NN.
Das Beste: Die Tour führt mitten hinein in den Nationalpark Stilfserjoch, eines der größten Naturschutzgebiete Europas. In dem 530 Quadratkilometer großen Areal, das sich auf Meereshöhen von 700 bis über 3.900 Meter über NN erstreckt, herrscht eine einmalige Flora und Fauna: Hier gedeihen Pflanzen und tummeln sich Tiere aus allen Höhenlagen der Alpen.
Die Wanderer begleitete den ganzen Tag blühende Trollblumen, Schusternagel und sogar Orchideen, dazu immer wieder Pfiffe von Murmeltieren. Zu sehen waren die dicken Alpen-Nager aber nicht, zu gut ihre Tarnung, zu schnell verschwanden sie in ihren selbst geduddelten Bauen.
Unterwegs legte die Gruppe häufig Rast ein, um die Landschaft zu genießen. Vom sogenannten Gelenk auf 2,450 Meter Meereshöhe eröffnete sich ein unglaubliches Panorama. Hier zeigte sich unter dem inzwischen diesigen Himmel, wie sehr die Zufallhütte, das Zuhause für die Tage der Standortwoche, in das hochalpine Gelände eingebunden ist. Heute ist sie eine Alpenhütte für Wanderer, im ersten Weltkrieg galt sie als strategisch wichtiger Punkt und bot mehreren hundert Soldaten Obhut.
Nach gut drei Stunden war die Lyfi-Alm erreicht. Zeit für ein Mittagessen: Bratkartoffeln mit Spiegelei, Knödel und Schmarrn standen auf der Karte, kurz: Südtiroler Schmankerln und Spezialitäten aus dem Martelltal. Köstlich. Nicht so die ersten Regentropfen des Tages.
Abstieg nach dem Essen zum Einstieg in den Erlebnispfad Plimaschlucht. Dieser 3,3 Kilometer lange Lehrpfad führt vom Talschluss hinauf zur Zufallhütte. Unterwegs eröffnen Panoramabrücken Blicke in den tosenden Schlund der Schlucht oder leiten auf Holzstegen über ein Moor. Dreisprachige Infotafeln erklären Zusammenhänge aus der Pfanzen- und Tierwelt. Klasse gemacht, Eintritt frei. Ein Abstecher, der sich lohnt und Spaß macht.
Der Himmel war inzwischen dunkel, die Kulisse bedrohlich. Dann, kurz vor der Hängebrücke, die leicht schwankend über die donnernde Schlucht führt, setzte richtiger Regen ein. Bisher hatte sich das Wetter mit Getröpfel abgegeben, nun aber öffneten sich die Schleusen im dunklen Grau, untermalt vom Donner. Fast hätte sich Thomas Dempfle tatsächlich geirrt - angesichts der Zirren.
Regenschirm raus und ab die 300 Meter bis zur Zufallhütte. Aber was soll’s? Viele aus der Gruppe suchen Zuflucht in der hauseigenen Sauna, wärmen sich auf und freuen sich auf das dreigängige Abendessen.
Gehzeit 5 Stunden, Aufstieg 600 bis 700 Hm, Abstieg 600 bis 700 Hm, Länge 14 km