Wie in einer anderen Welt

Tag 5: Rifugio Longoni: Wasserfälle und Spaghetti-Ersatz

Eines steht fest: Langweilig wird es auf einer Standortwoche à la Oase Alpin nicht. Dafür sind die Rundtouren viel zu abwechslungsreich und anspruchsvoll. So wie heute.

Noch beim üppigen Frühstück schwärmt die Gruppe von dem unglaublich guten Fünfgang-Menü, das sie hier im Hotel Tana del Grillo am gestrigen Abend genossen hat. Inhaber und Koch Masssimo dürfte alle Tricks und Kniffe der lombardischen Küche drauf haben – wenn nicht deutlich mehr. Und seine Frau Morena serviert als gute Seele des Hauses die Leckereien mit großem Charme.

Nach starkem Kaffee also geht es um 8 Uhr los. Ziel des Tages ist das Rifugio Longoni auf 2.450 Meter Seehöhe. Die Spaghetti seien dort besonders gut, heißt es. Also: nichts wie hin.

In Chiareggio beginnt der Alta Via Valmalenco auf 1.610 Metern über NN. Als schmaler Pfad führt der Wanderweg durch dichten Nadelwald. Vögel zwitschern, aus der Ferne donnert ein Wasserfall talwärts, und ein Reh äugt neugierig der Gruppe entgegen, bevor es sich gemächlich ins Dickicht verzieht.

Immer wieder muss die Gruppe auf dem Weg nach oben Bäche überwinden. An der An der Alpe Fora auf 2.053 Meter über NN schließlich legen alle eine Pause ein. Die Sonne scheint, es ist angenehm warm, und de Stimmung steigt. Fürs Foto trinken vier aus der Gruppe auf einmal aus ihrer Wasserflasche, und Dieter, einer der Teilnehmer, legt sich sogar in einen – leider trockenen – Steintrog, in den normalerweise frisches Bergwasser plätschert. Aber die Alpe ist noch nicht bewirtschaftet, also ist die Wasserleitung noch nicht aktiviert.

Weiter geht es durch Mischwald, die Baumgrenze ist bei 2.300 Metern erreicht. Und eine unglaubliche Hochebene, die mit ihren von Gletscher glatt polierten Felsen eher an einen norwegischen Fjell denn an ein Hochtal in den italienischen Alpen erinnert. Susanne, Teilnehmerin und Allround-Sportlerin, legt zusammen mit Bergführer Thomas Dempfle eine kurze Kletterpartie an der steilen Wand ein – Respekt.

Am Ende des Hochtals steigt eine Wand in Absätzen steil nach oben. Von dort tosen Wasserfälle nebeneinander in Stufen hinab. Zwei markante Felsen, sie waren einst ein Block, bis der Frost sie sprengte, bilden ein weithin sichtbares „V“ – eine Stelle wie aus dem Geologie-Lehrbuch, aber auch ohne naturwissenschaftlichen Hintergrund völlig faszinierend. Es ist hier wie in einer anderen Welt.

Nun sind es nur noch wenige Schritte um eine Felsnase, dann ist Rifugio Longoni erreicht. Erstaunlich: Die Gegend ist menschenleer. Die Hütte ist es auch – sie ist geschlossen. Nix Spaghetti. Doch kein Problem: Alle Wander*innen durchsuchen ihre Rucksäcke, und der Tisch auf der Terrasse ist gedeckt. Nüsse, Studentenfutter und Müsliriegel, ein paar Würstchen, ein Pfirsich, wenige Brötchen und eine Tüte Gummibärchen machen das Menü komplett. Dazu Wasser vom Berg. Nicht zu verachten, dieses Mahl, und es macht so satt, dass ein Nickerchen im Gras die sonnige Mittagspause krönt.

Gut gelaunt tritt die Gruppe den Rückweg an. Wieder flankiert Wald den Weg, der leitet zur Alpe Entova, an dem gleichnamigen, idyllisch gelegenen See (1.863 m). Ein Bad ist nicht drin, dazu ist das Wasser zu moorig. Außerdem gibt es Mücken.

Die letzten anderthalb Stunden führen durch Wald und über Wasserfälle, bis Chiareggio nach gut 15 Kilometern und 900 Höhenmetern rauf wie runter wieder erreicht ist. Wie schön: Auch hier verführt eine Terrasse zu ersten Bier, und es gibt von Wirtin Morena obendrein einen kleinen Snack dazu.

Den Abend ziert wieder ein mehrgängiges Menü – Koch Massimo hat es tagsüber komponiert.Und danach spielt er für die Gruppe sogar noch ein paar Lieder auf der Ziehharmonika.

Wie gesagt: Langweilig wird es auf einer Standortwoche à la Oase Alpin nicht.

 

Fotos: Claus-Georg Petri

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