Text und Fotos: Claus-Georg Petri
Das Kleinwalsertal überrascht immer mehr. Der Zimmerschlüssel des Hotels Alte Krone in Mittelberg ermöglichst alias Allgäu-Walser-Card nicht nur gratis Bus zu fahren. Sogar die Walmendingerhornbahn hievt Gäste mit dieser Vorteilskarte von 1.220 auf 1.946 Meter über NN, also kurz unterhalb des Gipfels – ohne dass sie einen Cent dafür bezahlen müssten.
Damit nicht genug: Oben an der Bergstation eröffnet eine Aussichtsplattform an einem gläsernen Aufzug, der in erster Linie für den Winterbetrieb gedacht ist, den Blick über das gesamte Tal. Die gestrige Tour rund um den Großen Widderstein ist von hier aus ganz leicht auszumachen. Und der mächtige Berg türmt sich auf wie ein Klotz, der sich seiner Würdigung als Wahrzeichen des Kleinwalsertals in voller Größe bewusst ist.
Ganz besondere Gipfel sind von der Bergstation aus zu erkennen: die Ochsenhofer Köpfe. Thomas Dempfle, Chef von Oase Alpin aus Oberstdorf, erklärt den heutigen Tag: „Wir wandern über den Grat dieser Berge, und am Schluss stehen wir auf dem Grünhorn.“ Dieser 2.039 Meter über NN hohe Gipfel ist gut zu sehen – obwohl er sich ziemlich weit entfernt am Horizont aufbaut. Über den Abstieg, der zwangläufig erfolgen muss, schweigt der Bergführer noch.
Also los. Erst einmal bergab, bevor es, wie sollte es anders sein, steil bergauf geht zum Muttelbergkopf auf 1.989 Meter Meereshöhe. Erst dann wollen die Ochsenhofer Köpfe einer nach dem anderen erklommen werden. Die Auf- und Ab-Passage verläuft ziemlich genau in der Mitte zwischen Hohem Ifen und Großem Widderstein: Ausblick auf diese markanten Berge.
Der Begriff Wandern wird dieser Tour nicht gerecht. Steil geht es hinauf zu jedem Gipfel dieser Bergkette, und auf der anderen Seite nicht minder steil bergab. Es ist wegen des vorangegangenen Regens matschig und rutschig, einige Tritte sind ausgesetzt, auch glatte Wurzeln fordern nach erhöhter Konzentration bei jedem Schritt. Die Hände unterstützen die Füße an mancher Kletterpartie, es geht nicht allzu schnell voran. Aber schnell genug. Es bleibt sogar Zeit, um zu fotografieren. Das muss sein: Die Motive sind an Schönheit und Reiz nicht zu überbieten.
An der Ochsenhofer Scharte, dem auf 1.850 Meter gelegenen Übergang zwischen Kleinwalser- und Schwarzwassertal, sammelt sich die Gruppe. Trotz der nicht einfachen Strecke sind alle Wanderer frohen Mutes, scherzen, aber sie schnaufen auch durch. Jetzt steht der Aufstieg aufs Grünhorn an. Eine habe Stunde, so verrät der Wegweiser, solle sie dauern. Sieht aber länger aus.
Na so was: Das Gipfelkreuz ist nach schon 25 Minuten erreicht. Er reckt sich oberhalb eines mächtigen Schneefelds in den weiß-blauen Himmel. Rundum strotzen Bergwiesen mit blühenden Trollblumen, Anemonen, geflecktem Knabenkraut, Enzian und sattem Grün. Von hier oben liegt den Wanderern Kleinwalser- und Schwarzwassertal, zur anderen Seite der Bregenzerwald zu Füßen.
Mittagspause. Brote und Nüsse, Energieriegel und frisches Wasser werden aus den Tiefen der Rucksäcke gezaubert. Schnell sind Pullover und Jacken übergezogen: Hier oben pfeift es ordentlich. Der Regen hat heute erst gar nicht angefangen. Herrlich. Dann noch Zeit für ein Gruppenbild am Gipfelkreuz – und der Abstieg beginnt.
Den hat Thomas Dempfle mittlerweile umrissen: „Den Pfad runter und dann Pause an der Inneren Stierhofalpe“, und zeigt in die Richtung. „Dort kehren wir ein.“ Guter Tipp: Der selbstgebackene Kirsch- und Quarkkuchen setzt der ohnehin guten Laune noch eins obendrauf.
Es geht danach noch eine Stunde bergab, dann ist das Bergdorf Baad erreicht. Hier wartet an der Haltestelle schon der Bus zurück ins Hotel. Natürlich mit der Zimmerkarte als Ticket.
Gehzeit ca. 6,5 Stunden, Aufstieg 650 Höhenmeter, Abstieg 1.350 Höhenmeter, Länge ca. 14,5 km