Genug eingelaufen. Die Gruppe ist fit. Das hat sie heute bewiesen mit einem Tag, der eher harmlos daherkommt, es aber in sich hat. Nur ein bisschen bergauf und bergab, hat es geheißen, dann zu einer Waalhütte, weiter durch Wald, dann noch ein Stück - schon geschafft. So, so.
Am Morgen pfeift kühler Wind den Berg hoch. Abmarschbereit steht die Gruppe am Valtelehof und ist sich unsicher, welche Kleidung die richtige sein mag: Jacken an? Pullover? Oder reicht gar das T-Shirt? Andrea weiß nicht so recht, welche ihrer fünf (!) Jacken im Rucksack sie überstreifen soll.
Doch irgendwann sind alle fertig angezogen: Es geht los - bergab und dann bergauf. Der kleine Ort Christl auf 1.132 Meter Seehöhe ist bald erreicht. Zum Empfang kühlen Getränke im kalten Wasser eines Brunnens vor sich hin, sich selbst zu bedienen kostet nur eine Spende. Wunderbares Vertrauen der Menschen hier.
„Ab hier laufen wir eine herrliche Etappe“, macht Thomas Dempfle seiner Gruppe den Mund wässrig, „ein Stück hoch bis zu einer Waalerhütte, dort legen wir eine Pause ein.“ Und ja, es sei ein bisschen steil. Einfach gleichmäßig und langsam zu laufen sei der beste Tipp für eine solche Strecke. Es tröpfelt, aber nur drei Spritzer. Dabei bleibt es.
Also los. Diretissima, so heißt es in Italien, also auf kürzestem Weg den wirklich steilen Berg hinauf. Erst über eine frisch gemähte Wiese, dann durch eine Wald, der sich plötzlich öffnet und mit seiner Mischung aus brusthohem Gras, bunter Blumen und riesigen, einzeln stehenden Lärchen einen ganz eigenen Zauber entfaltet. Kurz Verschnaufen an einer halb verfallenen Wirtschaftshütte, dann weiter steil bergauf. Innerhalb einer guten Stunde sind 550 Höhenmeter überwunden - und die versprochene Waalhütte erreicht.
Was ist eine Waalerhütte? Eine Hütte, die errichtet wurde für die Männer, welche die Waale in den Bergen Südtirols bewachen mussten. Waale, so heißen künstlich angelegte Bewässerungskanäle, die dem Berg sein Wasser entziehen, um es auf verflochtenen Netzen den Feldern der Bauern zu spenden. Lebenserhaltende Maßnahme für eine funktionierende Landwirtschaft - bis heute.
Der Matatzer Waal, an dem besagte Waalerhütte steht, wurde von 1862 bis 1865 erbaut. Ein Hämmerchen, angetrieben von einem kleinen Wasserrad, erinnert in gleichbleibendem Takt seines Schlages auf ein Blech, dass hier noch immer Wasser fließt.
Heute dient die Hütte auf 1.550 Metern über NN Wanderern zur Rast. Der Wirt ist noch nicht da, aber schon teilt die Gruppe, was sie in den Tiefen ihrer Tagesrucksäcke findet: Studentenfutter, Haribo, Käse, getrocknete Ananas. Dann kommt der Wirt, und es gibt dazu alkoholfreies Bier, Cola und Wasser. Eine wichtige Stärkung: Der scheinbar unscheinbare Tag ist noch lange nicht vorbei.
Über den Ulfaser Waalweg, der an der Hütte des Matatzer Waals beginnt, lotst die Wanderer stetig, wenn auch kaum spürbar bergauf. Das Wasser fließt parallel ebenso stetig, vor allem aber schnell in entgegengesetzter Richtung. Um Bäume herum rauscht das Nass, gurgelt um Kurven, strudelt über Unebenheiten oder fließt lautlos durch den dichten Wald. Kaum zu glauben, wie viel Wasser durch allein diesen Waal talwärts strömt.
Dann schließlich, auf der Hochebene am Talschluss, wo der Ulfaser Waal seinen Anfang findet, lädt die Ulfas-Alm auf 1.600 Meter Meereshöhe zur Pause ein. Schnell stehen auf den Tischen Salate, Körbe voller Vinschgauer und Schüttelbrot, Käse-Omelette und Würsten nach Art des Hauses. Es gibt heiße Schokolade und Kaffee zu trinken - zum Abschied spendiert die Wirtin eine Runde Schnaps.
Erholt läuft die Gruppe weiter. Wald, ständiger Begleiter der vergangenen Tage, umgibt auch hier die Gruppe. Bis eine Straße zu hören und eine rettende Haltestelle erreicht ist: Perfektes Timing - nach nur wenigen Minuten kommt der Bus und nimmt die Wanderer mit in nach Pfelders auf 1.6767 Meter Seehöhe.
Ein Besuch der Dorfkirche lohnt sich und offenbart die Dimensionen dieses Ortes: Er ist winzig. Noch kleiner ist der Wurf von Häusern namens Zeppichl, wo die Gruppe im gleichnamigen Gasthof übernachtet. Er ist erst 2021 erweitert worden und verwöhnt die Wanderer mit luxuriösen Zimmern. Auf Wunsch sind Pool und Sauna möglich. Den Abschluss dieses harmlos scheinenden Tages bildet das Abendessen.
Aufstieg 800 Hm, Abstieg 450 Hm, 6 Sunden, 15 Kilometer