Tag 1: Baad, Kleinwalsertal - Schröcken
Zwischen Himmel und Erde
Lange nicht gesehen. Genau genommen: ein Jahr. So ist das bei den Touren, die diese Gruppe immer im Juni macht: Wanderfreunde, die miteinander die Freude an einem Fernwanderweg teilen. Und dabei viel Unerwartetes erleben.
Treffpunkt: 10.30 Uhr am Oase-Alpin Center Oberstdorf. Wanderer, die sich ein Jahr lang nicht gesehen haben, umarmen sich, begrüßen sich voller Freude - und Vorfreude auf die bevorstehende Tour. Über den ersten Teil des Großen Walserwegs soll es gemeinsam gehen. Genau genommen von Baad im Kleinwalsertal hinüber nach Schröcken.
Doch zuvor müssen noch alle Rucksäcke den Wiegetest bestehen: Mehr als 8,5 Kilogramm sind nicht gestattet. Doch unter den strengen Augen von Thomas Dempfle, Chef der Oase-Alpin-Bergschule, bestehen die Gewichtshürde alle Rücksäcke der 15 Teilnehmer. Mit von der Wiege-Partie: Margit Moreau, die aktuell einen Lehrgang zur Wanderführerin durchläuft. Auch sie gehört zu der Gruppe.
Fast alle von den Wanderern stammen aus der Gegend rund um das schwäbische Esslingen, mal abgesehen von Susanne aus Frankfurt sowie Regine und Christiane und Nordrhein-Westfalen. Ach ja, nicht zu vergessen Birgit, Andrea und Sepp aus Bayern. Die anstehende Tour ist schon die siebte gemeinsame Wanderung dieser Gruppe.
Nach kurzer Busfahrt beginnt der Aufstieg in Baad auf 1.244 Meter über NN an der deutsch-österreichischen Grenze. Hinauf geht es durch das Bärgundtal. Der Himmel ist vergnügt weiß-blau, noch haben die Wanderer jede Menge Luft, um miteinander zu plaudern. Obendrein verheißt ein Schild am Wegesrand in Form einer Kuh eine kulinarische Pause in der Bärgund-Hütte auf 1.408 Meter Seehöhe.
„Unser Standort geht auf die Walser zurück, die hier 1291 siedelten“, erzählt Hüttenwirtin Sabine. „Sie konnten wilde Täler urbar machen, deshalb waren sie geduldet.“ Und nach einer kleinen Pause fügt die gute Seele der Wanderhütte hinzu: „Aber dafür hatten die Walser ihre Freiheit. Nie lebten sie unter Lehnsherrschaft.“
Nach kurzer Stärkung bei Joghurt mit Früchten, Kaffee und Kuchen und einem gelegentlichen Bier geht es weiter bergauf. In Serpentinen schraubt sich der Weg über einen bewaldeten Hang, bis über der Raumgrenze eine Hochalm erreicht ist. Die 250 Rindvieher, die hier im Sommer weiden, kommen erst nächste Woche.
Der Boden ist relativ trocken: Im Winter hat es in der Gegend weniger geschneit und geregnet als sonst. Dennoch gurgeln Bäche, manche stürzen sich sogar unter Getöse talwärts. Trollblumen und Enzian, Anemonen und Sumpfdotterblumen blühen um die Wette.
Der Weg ebnet sich allmählich, bis der höchste Punkt des Tages erreicht ist: „Über den Hochalppass hier auf 1.938 Meter Meereshöhe haben die Walser einst das Kleinwalsertal besiedelt“, erklärt Thomas Dempfle.
Auf dem höchsten Punkt ein Höhepunkt: Albrecht, einer aus der Gruppe, hat eine Flasche Selbstgebrannten mit hinauf geschleppt: „Von Rainer, der diesmal nicht konnte, ein Gruß.“
Aus Plastik-Schnapspinnchen stoßen alle auf Rainer an. Und Sepp, mit 75 der Senior der Gruppe, lässt auf die Melodie vom Gefangenenchor aus der Oper Nabucco seine heimliche Hymne über die weite Bergwelt erklingen: „Überall auf der Welt scheint die So-ho-hon-ne.... Prost.“ Vom Horizont grüßt der Biberkopf zurück, Deutschlands südlichster Berg.
Von nun an geht’s bergab.
Durch blumen-bunte Wiesen hinunter bis zum Hochtannbergpass zwischen Warth und Schröcken auf 1.676 Meter über NN, wo Motorradfahrer am Gasgriff drehen. Geplant war, hinüber zum Körbersee zu laufen. Doch das Hotel (www.koerbersee.at) dort, die anvisierte Unterkunft, hat in der jetzigen Übergangszeit noch nicht geöffnet, es öffnet aber schon am kommenden Freitag.
Das Ausweichquartier, Haus Angelika (www.angelika.at), liegt in Schröcken. Ein Bus chauffiert die Gruppe bis zum Ortseingang des Wintersportorts. Alle tippeln nun - entlang frisch gemähter steiler Wiesen - talwärts. Die bei Schnee so begehrten Hotels und Pensionen wirken verrammelt und verwaist.
Und Haus Angelika? Wartet am anderen Ende des schier endlos gestreckten Ortes auf die Wandergruppe. Sehr schöne Zimmer hier, leckeres Bier zum Ankommen und eine heiße Dusche vor dem Schweinebraten mit Knödeln und Kraut. Serviert von den sehr netten Wirtsleuten Angelika und Gerhard. Alles gut.
Gehzeit: vier Stunden
Auf-/Abstieg: 650/300 Hm
Länge: 11 km